Schafställe und
Scheunen auf der Sittenser Geest
- Zu den historischen
Bauten zwischen Elbe und Weser gehören Schafställe und
Scheunen abseits der Dörfer und am Rande der Hofanlagen auf
der Geest. Entdecken Sie mit uns einige dieser stillen Zeugen der
Geschichte auf einer Radtour, die in Sittensen beginnt und endet.
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Unsere Tour führt
auf zwei alternativen Strecken entweder 40 oder 55 km weit durch
den östlichen Teil des Landkreises Rotenburg. Manche Wege
haben noch ein rauhes Kopfpflaster oder sind tiefgründig-sandig
und vermitteln einen Eindruck der alten Wege in der Heide.
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1+2
Wir starten in Sittensen an der restaurierten Wassermühle
hinter dem Rathaus. Hier sind ausreichend Autoparkplätze
vorhanden. Die Tour führt über die Ostebrücke und
bald dahinter rechts ab in die Alte Dorfstraße. Wenn diese
nach 300 m nach rechts abknickt, folgen wir ihr zunächst und
finden nach 200 m rechts eine alte Querdurchfahrtsscheune (die
Tore liegen in der Längswand) mit jüngst ausgebessertem
Reetdach.
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 Ursprüngliches
Aussehen: Verbretterte Scheune an einer Kopfsteinpflasterstraße
in Sittensen gelegen. -
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Die Alte Dorfstraße zurück zur Gabelung und den
Appeler Weg entlang trifft man nach 1,5 km rechts in einem
Wäldchen auf den ersten Schafstall. Es ist ein
Außenschafstall, der vor ca. 130 Jahren in die damals
offene Heidefläche hineingesetzt wurde. Die Gefache der
Außenwände sind noch in alter Weise mit Lehmflechtwerk
gefüllt. Im Innern ist der Stall wie ein kleines Bauernhaus
konstruiert: Die Last des Daches wird von den im Innern stehenden
Ständern und Balken getragen. Niedrige Außenwände
schließen die Abseiten (Kübbungen genannt) ab. Es ist
der Schafstalltyp, der in weiten Teilen des Elbe-Weser-Dreiecks
gebaut wurde, die dem ehemaligen Herzogtum Bremen entsprechen.
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 Schönheit
und Einfachheit: Außenschafstall von ca. 1860 mit weit
heruntergezogenem Rethdach außerhalb von Sittensen. -
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Weiter geht die Fahrt immer dem Weg geradeaus folgend nach Appel.
Direkt gegenüber der Gastwirtschaft (mit Möglichkeit
zum Einkehren!) liegt der älteste Schafstall unserer Tour.
Im Innern (Schlüssel bei Gastwirt zu erfragen) wird der
Unterschied deutlich: viel kräftigere Hölzer, alle aus
Eiche und eine deutlich niedrigere Decxkenhöhe zeichnen
diesen ca. 350 Jahre alten Stall aus. Der ehemals alleinliegende
(einstellige) Hof hatte in unmittelbarer Umgebung
weite Heideflächen, so daß die Schafherde bis zuletzt
in dem Stall, der auf dem Hof selbst stand, bleiben konnte.
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5+6
Von Appel aus geht es auf mitunter sehr sandigen Wegen Richtung
Stemmen. Die zwei Ställe dort liegen recht versteckt in der
Feldmark noch vor dem Ort. Nachdem vor ca. 150 Jahren die ehemals
gemeinsam genutzten Heideflächen der Dörfer in der
großen Agrarreform auf die einzelnen Höfe verteilt
worden waren, hat jeder Bauer sein eigenes Land von seiner
eigenen Heidschnuckenherde beweiden lassen und dort seinen
eigenen Stall errichtet. In Stemmen lässt sich auf alten
Karten noch ein ganzer Kranz solcher Ställe in 2 3 km
Entfernung vom Dorf nachweisen, von denen sich aber nur wenige
bis heute erhalten haben.
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Durch die Ortsmitte von Stemmen geht die Tour zur B 75 (Wegweiser
Rotenburg) und an dieser Straße etwa 2 km auf
dem Fahrradweg entlang, bis man bei dem Parkplatz Büschelskamp
die Straße überqueren muß, um in ein
renaturiertes Heidegebiet abzubiegen. Hier werden von dem Verein
Vareler Heide große Flächen auf der
Randbühne der Wümme in eine Wacholder-Heidelandschaft
zurückverwandelt.
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8-10
Hinter der Siedlung Varel erreicht die Tour die Kreisstraße
Scheeßel-Sittensen an der Wümme-Brücke. Hier
besteht die Möglichkeit, nach links Richtung Scheeßel
zu fahren und dort die eindrucksvollen Museumsanlagen des
Heimatvereins Niedersachsen aufzusuchen, in denen
zwei umgesetzte Schafställe aus der nördlich von
Scheeßel gelegenen bremischen Regionen und der
Hofschafstall des Meierhofes (Kunstgewerbehaus)
stehen. Der Umweg beträgt etwa 3 km.
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Die kürzere Tour geht über die Wümme-Brücke
bei Varel und nach 50 m links ab über Wirtschaftswege nach
Westeresch. Hier steht hinten auf dem Hof Behrens der schönste
Schafstall des Verdener Typus. Es ist ein Gebäude,
das eher einer Scheune ähnelt, weil es hohe Wände und
keine inneren Ständer hat. Solche Ställe sind nicht von
den Längsseiten wie die meisten Scheunen der Region
sondern von den Giebeln aufgeschlossen. Zum Besichtigen des
Stalles betreten Sie die Hofflächen bitte von der Rückseite
her. (Zunächst rechts, nach 50 m links in die Schulstraße,
wieder links in den Neubauernweg und hier nach 150 m links Am
Brink, dort wieder links, sobald der befestigte Weg endet).
Wir verlassen die Hofflächen über den gleichen Weg und
folgen der Neubauernstraße in Richtung Süden.
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 Ein
ganz anderer Gebäudetyp: Hofschafstall mit hohen Wänden
und Dachluke aus Westeresch.
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Ein gleicher Verdener Schafstalltyp steht in Hetzwege (hinter der
Ortstafel). Der Stall ist offen und darf betreten werden. Die so
gänzlich unterschiedliche Bauweise der beiden letzten
Schafställe verweist darauf, dass wir hier die seit dem
Mittelalter bestehende Grenze zwischen den Stiften und späteren
Herzogtümern Bremen und Verden überschritten haben, die
als Landkreisgrenze nur wenig verändert bis zur Kreisreform
von 1977 fortbestanden hat.
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 Nur
für den Kenner zu identifizieren: Ein hochwandiger
Schafstall mit leicht veränderter Dachform in Hetzwege.
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Die verkürzte Tour geht jetzt über Wittkopsbostel
Sothel Hamersen nach Sittensen zurück. Der Stall in
Wittkopsbostel ist äußerlich vom bremischen Typus,
eine Untersuchung des Innengerüstes zeigt aber, dass er aus
einem alten hochwandigen Stall durch Anfügung der Abseiten
gebildet wurde, der Stall also eine Übergangsform darstellt,
die die Lage des Dorfes Wittkopsbostel in einem strittigen Teil
des Grenzgebiet beleuchtet. Von Wittkopsbostel geht es nach
Sothel.
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Die längere Tour führt über Hesedorf und Hatzte
ebenfalls nach Sothel. Die beiden zusätzlichen Ställe
dieser Tour sind von besonderem optichen Reiz. In Hesedorf liegt
in Ortsmitte auf dem Dorfplatz ein Schafstall einer bisher noch
nicht beschriebenen Bauart: Er ist eine Mischung aus dem
bremischen und dem verdischen Typus, da er eine einseitige innere
Ständerreihe mit Kübbung und eine anderseitige hohe,
balkentragende Außenwand aufweist. Ich sehe in dieser
Bauweise keine Zufälligkeit, vielmehr ist sie für mich
Ausdruck der mehrfach wechselnden Zugehörigkeit des Dorfes
zu den beiden Ländern Bremen und Verden.
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 Mit
Wissen und Können nachgebaut: Ein asymetrischer Schafstall
mit echtem Roggenstrohdach in Hesedorf bei Gyhum.
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Der Stall ist besonders schön
anzusehen, weil er ein neues Dach aus Roggenstroh erhalten hat.
Das Getreide ist von der Dorfgemeinschaft noch selbst angebaut
und aufbereitet worden. Auch hier ist eine Innenbesichtigung und
eine Picknickpause möglich. Den Schlüssel gibt es beim
Nachbarn.
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+ 16 Noch reizvoller anzusehen ist der kleine Stall
in Hatzte, der auf einer niedrigen Anhöhe liegt und uns mit
dem umgebenden Fuhrenkamp einen Eindruck von der Schönheit
unserer Dörfer in der Vergangenheit herüberträgt.
Von Hatzte geht es auf Wirtschaftswegen (alternativ auch auf
einem, allerdings sehr schlechten, Weg entlang eines großen
Torfabbaugebietes) nach Sothel.
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 Der
Schönste der alten Ställe: Kleiner Schafstall auf einer
Anhöhe unter Fuhren in Hatzte.
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In Sothel steht ein weiterer Schafstall des asymmetrischen Typs.
Das Dorf lag ebenso wie Wittkopsbostel in dem in seiner
Zugehörigkeit strittigen Grenzgebiet zwischen den Stiften.
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 Alte
Benutzungsspuren: Asymetrischer Schafstall aus Sothel mit den
Namenszügen von Wanderburschen am inneren Fachwerk.
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Von Sothel fahren wir nach
Hamersen.
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+ 19 Am Ortsrand von Hamersen befinden sich nahe
beieinander zwei im Innern sehr altertümliche Schafställe
als Reste des ehemaligen Schafstallviertels des Dorfes. Einer ist
zu einer Abstellkammer und Werkstatt umgenutzt und hat noch sein
altes Strohdach, der andere ist äußerlich stark
verändert und dient als Melkstand.
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 Wahrscheinlich
der älteste Stall: Schafstall in Hamersen mit Innengefüge
ganz aus Eichenholz und niedriger Deckenhöhe.
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Er steht aber meist offen, so
daß ein Blick ins Innere geworfen werden kann. Dabei
imponieren als altertümliche Merkmale wieder die niedrige
Deckenhöhe und die Form der Kopfbändern (so sind die
schrägen Hölzer zwischen den senkrechten Ständern
und den waagerechten Balken und Rähmen benannt).
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Am andren Ende desDorfes kommen wir noch an einer großen
Feldscheune mit altem Strohdach vorbei, deren Fächer jetzt
mit Ziegeln ausgemauert sind. Die Nagelreste auf den Riegeln
lassen erkennen, dass auch sie einmal mit Brettern verkleidet
war, wie die Scheunen an der Alten Dorfstraße in Sittensen.
Auf dem Fahrradweg entlang der Kreisstraße führt die
Tour nach Sittensen zum Ausgangspunkt an der Wassermühle
zurück.
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Alle Ställe unserer Tour
sind klein. Sie konnten zwischen 40 und 100 Heidschnucken
beherbergen. Auf der Geest der Nordheide war eine Mischwirtschaft
üblich, bei der die Heidschnuckenhaltung eine wichtige aber
keine so dominierende Rolle spielte, wie in den südlich
gelegenen Regionen der Zentralheide. Dort erreichten die Herden
Kopfzahlen von 300 oder 400 Stück.
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Fast nichts ist von dieser
Heidebauernzeit geblieben. Die eintönige, fast
baumlos weite Steppenlandschaft der Heide gibt es nicht mehr. Die
Landschaft hat sich in eine fruchtbare, grüne oder vielfach
bewaldete Kulturlandschaft verwandelt, die den Blick begrenzt,
aber auch Schatten spendet und Abwechslung in den Bildern bietet.
Unser Tagesausflug sollte helfen, Spuren der alten
Wirtschaftsweise der Heidschnuckenhaltung und der durch sie
hervorgebrachten Landschaft in der Natur und in den
gebauten Zeugen der Vergangenheit zu finden.
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Dr. Wolfgang Dörfler,
Interessengemeinschaft Bauernhaus
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Informationen und Anmeldungen:
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Heimatverein Sittensen, Frau
Jaschinski,
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Telefon: 04383 93 00 49
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EJaschinski@sg.sittensen.de
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Titelfotos: Letzter Schäfer
vom Abbendorf (um 1950), ehemaliges Schafstallviertel von
Frelsdorf im Landkreis Cuxhaven (Foto um 1900 von Hans
Müller-Brauel)
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