In der
historischen Stader Altstadt und im Landkreis Stade haben
Ausgrabungen und archäologische Forschungen viel neues Wissen
über die Geschichte des Stader Raumes erbracht. Lernen Sie
einige der markantesten und interessantesten Zeugnisse aus der
Geschichte des Stader Raumes von der Steinzeit bis ins Mittelalter
kennen.
 

Archäologie
im Stader Raum
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Stade, Harsefeld, Daudieck
- 1.
Die erste Station unseres archäologischen Erkundungsgangs
ist das Zeughaus in der Stader Altstadt (vgl. das Luftbild oben).
Dieser 1698 von den Schweden errichtete Großbau steht auf
einem Gelände, dem man nicht mehr ansieht, welche Bedeutung
es für die frühe Stadtentwicklung hatte. Hier haben die
Grafen von Harsefeld-Stade 1132 das älteste Kloster Stades,
das Prämonstratenserstift St. Georg gegründet. Ob das
gräfliche Grundstück – in exponierter Lage auf dem
Scheitel des Geesthügels – vorher Standort einer frühen
Burg oder Residenz der Grafen war, ist eine noch ungeklärte
Frage. St. Georg hatte von Anfang an eine deutliche
Vorrangstellung vor den übrigen Klöstern und Kirchen
der Stadt.

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Das 1698
errichtete Zeughaus steht auf den Resten des St. Georgsklosters
von 1132.
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Nicht nur entschied das Kloster über
die Besetzung der Geistlichen-Stellen sämtlicher Kirchen und
Kapellen Stades. Auch die Anfänge der städtischen
schriftlichen Verwaltung werden auf die Kleriker von St. Georg
zurückgeführt. Das Kloster, das von der Kurie häufig
mit Schiedsaufgaben im norddeutschen Raum beauftragt wurde, war
eines der geistigen und kulturellen Zentren der Region. Die
bedeutende Lateinschule, bereits für das 14. Jh. bezeugt,
hat sich über die Jahrhunderte als lebenskräftig
erwiesen, nach mehrfachem Standortwechsel ist sie heute unter dem
Namen „Athenaeum“ eines der beiden Gymnasien der Stadt.
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Beim Bau der Stadt-Sparkasse neben dem
Zeughaus konnten 1961 erstmals Mauerreste des Klosters
dokumentiert werden. Mit der jetzt begonnenen Sanierung des
Zeughauses sind archäologische Untersuchungen möglich
geworden, bei denen sich weitreichende Aufschlüsse zur
Klostergeschichte und zu den vielen offenen Fragen vor allem auch
der „Vorklosterzeit“ abzeichnen. Erfaßt wurde die
Kirche des Klosters in zwei eindrucksvollen aufeinander folgenden
Bauten. Die ältere Kirche, wohl der Gründungsbau des
12. Jh., eine im wesentlichen aus Findlingen und rheinischem
Tuffstein errichtete Saalkirche mit Rechteckchor, könnte
bereits die beträchtliche Länge von 62 Metern
aufgewiesen haben.
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Im
Untergrund der Stadtsparkasse und des Zeughauses wurden die
Grundrisse zweier aufeinanderfolgender Kirchen des St.
Georgsklosters freigelegt. In der jüngeren Backsteinkirche
des 14. Jh. fand sich die Gruft des Bremer Erzbischofs Gottfried
(Pfeil).
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An den partienweise mitverbauten Backsteinen
ist möglicherweise eine bauhistorische Zäsur von
überregionaler Bedeutung ablesbar: hier könnte die
Einführung der Bauweise mit Ziegeln nicht nur in Stade,
sondern darüber hinaus in ganz Norddeutschland erfasst sein.
Nach mehreren Umbauten kam es im 14. Jh. zu einem imposanten
Neubau.: Die dreischiffige Backsteinkirche mit einem Ost- und
einem Westchor war mit etwa 70 Metern Längenerstreckung der
bei weitem größte Sakralbau Stades – und nach dem
Bremer Dom – wohl auch des Erzbistums Bremen. Zu den
überraschenden Grabungsergebnissen zählt auch, dass die
Nachricht einer Chronik des 14 Jh. bestätigt werden konnte,
nach der der Bremer Erzbischof Gottfried (1349-1363) im Chor der
Stader St.Georgskirche bestattet worden ist. Die Gruft des mit
Bischofsstab beigesetzten Kirchenfürsten wurde direkt vor
dem Hochaltar aufgefunden.
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2.
Wir verlassen das Zeughaus und wandern durch die
Sattelmacherstraße und die Hökerstraße abwärts
in den nördlichen Teil der Altstadt. Unter Ziel ist der
Burghügel Spielgelberg, den wir über den
Fischmarkt und die steil ansteigende Burgstraße erreichen.
An seiner Westflanke entlang der Straße Wasser Ost
erstreckt sich der Alte Hafen. Bis vor kurzem sind der
Spiegelberg und der Alte Hafen von der Geschichtsschreibung als
die ältesten Keimzellen der Stadt Stade angesehen worden.
Die Vorstellung war, daß hier auf einem letzten Ausläufer
des die Altstadt tragenden Geesthügels bereits um etwa 800
n.Chr. eine Turmhügelburg angelegt wurde, mit einer sich
anschließenden Hafenmarktsiedlung in Geestrandlage entlang
Wasser Ost und Fischmarkt. Durch die stadtarchäologischen
Untersuchungen ist dieses Bild entscheidend verändert
worden. Der Geestrand liegt etwa 150m stadteinwärts entfernt
im Bereich der unteren Hökerstraße. Der gesamte
nördliche Altstadtbereich ist aufgeschüttetes
Marschengelände, das ursprünglich 4-5m tiefer lag als
heute, und scheidet damit als Lageort der frühmittelalterlichen
Kernsiedlung aus. Erst in den Jahrzehnten 1000 n.Chr. ist dieses
Gebiet in den Bereich der entstehenden Stadt einbezogen worden.
Diese Erkenntnis ist neben zahlreichen anderen Grabungen vor
allem der Untersuchung zu verdanken, die 1985/86 vom Scheitel des
Spiegelbergs aus mit einem über 11m tief reichenden
Sondierungsschacht durchgeführt werden konnte. An der Basis
des Burghügels wurde unter vier jüngeren
Aufhöhungsphasen ein auf dem flachen Marschenboden
errichteter Ringwall erfaßt. Dieser in das ausgehende 10
Jh. zu datierende Holz-Erde-Wall ist offensichtlich die Burg der
Grafen von Harsefeld-Stade, die wenige Jahre nach ihrer Erbauung
994 n.Chr. von den dänischen Askomannen eingenommen wurde.
Ein weiterer Grabungsschnitt durch das Becken des Alten Hafens
konnte klären, daß gleichzeitig mit dem Ringwall, der
anscheinend durch einen Damm mit dem Geestrand verbunden war, um
1000 n.Chr. im Bereich der Straße Wasser Ost ein erstes
künstlich angelegtes Hafenbecken entstand, das schon
annähernd in der Flucht dieses späteren Hafens lag.
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Die
archäologischen Untersuchungen haben das hergebrachte Bild
von der Frühzeit Stades erheblich verändert: Der
gesamte Norden der Altstadt war ursprünglich flaches
Marschengelände; um 1.000 n. Chr. Wurde gut 100m vor dem
Geestrand die Burg der Grafen von Stade als Ringwall angelegt
(schematisierte Darstellung der mutmaßlichen Form).
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Baumaßnahmen und Stadterweiterungen
späterer Zeit, vor allem durch Heinrich den Löwen im
12. Jh. und dann insbesondere im dynamischen Aufbruch des 13 Jh.
formten die nördliche Altstadt im wesentlichen bereits bis
zu dem uns vertrauten Grundriß um.
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3.
Wir überqueren nun die Wallstraße – die ehemalige
Stadtbefestigung – und erreichen die Parkplätze am
Hafen. Von dort aus starten wir auf dem Salztorwall gen Süden
nach Harsefeld, das wir von Stade aus nach etwa 15-minütiger
Autofahrt auf der Harsefelder Landsstraße (L 124)
erreichen. In Harsefeld wenden wir uns zunächst nach links
in die Straße „Im Sande“ und gleich wieder nach
rechts in die „Schulstraße“. Nach wenigen hundert
Metern ist der Weg rechts zu einem Parkplatz ausgeschildert. Wir
befinden uns jetzt östlich des ehemaligen
Benediktiner-Mönchsklosters Harsefeld. Das Kloster
gründete 1101 die Familie der Harsefeld-Stader Grafen. Nach
einer wechselvollen Geschichte wurde es etwa 550 Jahre später,
nach dem 30-jährigen Krieg, aufgelöst. Ab 1715/19
befand sich hier die Wohn- und Dienststelle des Amtmannes von
Harsefeld.
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Die vor Ihnen liegende
Grundriß-Rekonstruktion (vgl. Titelseite Mitte)
berücksichtigt die Zeit bis in das 18. Jh. Das kleine
Backsteinhaus zur Rechten wurde während der „Amtszeit“
errichtet, es beherbergt heute das Museum für Kloster- und
Heimatgeschichte. Sie erreichen das Museum über eine Straße
aus Kopfsteinplaster, die unmittelbar am Ostflügel der
Klosterklausur entlang führt. Der gepflasterte Platz vor dem
Museum ist Teil des Hofes, auf dem die vom Kloster abhängigen
Bauern vorfuhren, um ihre Abgaben am sogenannten Vorwerk (der
Vorratsscheune, heute nicht mehr erhalten) abzuliefern.

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Archäologie
im Kloster Harsefeld: Während im Ostflügel der Klausur
noch der archäologische Befund dokumentiert wird, sind die
Rekonstruktionsarbeiten im Nordflügel schon weit
fortgeschritten.
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Wir wenden uns nun in Richtung auf die
Kirche und durchschreiten den Nordflügel der Klausurgebäude.
Der rekonstruierte Grundriß zeigt den Zustand im späten
Mittelalter und der frühen Neuzeit. Dem gepflasterten
Kreuzgang folgen wir entgegen dem Uhrzeigersinn. Im Nordflügel
befand sich im Obergeschoß das Dormitorium, der Schlafraum
der Mönche. Ihm gegenüber lag das Brunnenhaus, das in
den Klosterinnenhof hineingebaut war. Das Gebäude rechts,
das sogenannte Amtshaus aus nachklösterlicher Zeit, steht
z.T. noch auf den Fundamenten des Nordflügels. Hier befanden
sich die Räume des Erzabtes. Im Westflügel waren die
Wirtschaftsräume untergebracht, hochgelegen ist der
Empfangsraum für die Besucher des Klosters. Der Treppe
folgend treffen wir auf die ehemalige Eingangspforte. Ein
schmaler Durchgang führt in die Kapelle.
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Wir gehen wieder hinab in den Kreuzgang. Die
Südwestecke war als einziger Abschnitt so gut erhalten, daß
das Originalmaterial für die Rekonstruktion verwendet werden
konnte. Unter dem Plattenboden des West-, Süd- und
Ostkreuzgangs befanden sich, dicht gedrängt, Bestattungen.
Den Stufen hinaus zur Kirche folgend wenden wir uns nach rechts
zur Informationstafel, auf der ein Foto die verbliebenen
Originalbauteile während der Ausgrabungen 1983 zeigt.
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Von hier führt der Weg nördlich
der Kirche zu einer Treppe hinab in den Ostkreuzgang. Im
Ostflügel befanden sich u. a. Kapitelsaal, Bibliothek,
Schreibraum und eine Kapelle. In nachklösterlicher Zeit
wurde dort ein Gefängnis gebaut, dessen Fundamente aus
großen Findlingen im Straßenpflaster außerhalb
des ehemaligen Ostflügels zu verfolgen ist. Erhalten waren
noch Reste einer Zelle im Halbkeller.
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4.
Wir verlassen Harsefeld in Richtung Stade und biegen nach wenigen
100m nach rechts in die Landstraße 123 (Horneburg,
Issendorf) ab. Am Ortsausgang von Issendorf steht ein
Hinweisschild, das uns rechts zum Lehr- und Wanderpfad Daudieck
leitet. Eine Informationstafel beim Parkplatz zeigt die
Wanderroute. Auf dem vor Ihnen liegenden Gelände befinden
sich Grabungsstätten aus der Jungsteinzeit, der Bronze- und
der Eisenzeit (vgl. Titelseite oben). Das bedeutet, daß von
etwa 3000 bis 200 v.Chr. hier, mit zeitlichen Unterbrechungen,
bestattet wurde.

Der
archäologische Lehr- und Wanderpfad Daudieck bei Issendorf
(Landkreis Stade).
Etwa 400m hinter dem Parkplatz biegen wir
scharf rechts in einen Feldweg ein und gehen durch Ackerland,
links an einem nur noch in Resten erhaltenen Grabhügel
vorbei, bis zu einer Wegegabelung. Links befindet sich ein
bronzezeitliches Hügelgrab. Unser Weg führt nach rechts
auf eine Gruppe von 4 Gräbern zu. Luftbildaufnahmen zeigen,
daß sich noch 2 weitere, heute nicht mehr erhaltene,
Hügelgräber hier befanden. In der Bronzezeit – ab
etwa 1700 v.Chr. – legte man die Toten in Särge (z.B.
gespaltene und ausgehöhlte Baumstämme) auf ein
Steinpflaster und füllte darüber einen Erdhügel
auf. Später verbrannte man die Verstorbenen auch und setzte
die Urnen in Hügeln bei. An der nächsten Wegekreuzung
geben wir scharf links, folgen dem wieder links verlaufenden Pfad
und treffen auf zwei weitere Hügelgräber. Kurz danach
kann man einen Trampelpfad durch die Ackerflur begehen, der zu
einem Hügel mit einer Steinkiste führt. Auf dem
Deckstein befinden sich eingepickte Schälchen, denen eine
Verwendung im kultischen Bereich zugesprochen wird. Die
trichterförmige Kuppe dieses und auch vieler anderer Gräber
sind Spuren von Grabräubern. Zu Anfang des 2. Jahrtausends
baute man kleinere Steinkisten ohne Zugang, die aber auch in
großen Erdhügeln liegen. Zurück auf dem Hauptweg
ist nur wenig später rechts ein Hügelgrab zu sehen. Der
Weg führt zunächst geradeaus, biegt dann links ab,
vorbei an einem weiteren Hügelgrab – rechts – und
führt auf zwei steinzeitliche Steinkammern zu, die sich in
„Langbetten“, also länglichen Erdhügeln,
befinden. Steinkammern sind die ältesten Anlagen. Sie waren
von Erdhügeln – rund oder länglich – bedeckt,
so daß von den Steinen nichts zu sehen war. Ein Kranz von
Findlingen stützte den Hügel, gab aber den Weg zu einem
Gang in die Kammer frei. Die Gräber waren also für
mehrfaches Benutzen vorgesehen, vergleichbar vielleicht den heute
gebräuchlichen Beinhäusern. An der nächsten
Wegegabelung geben wir nach rechts und treffen auf einen
Trampelpfad, der links über den Acker zu einem Hügelgrab
und einem Langbett mit zwei Steinkammern führt. Hier
informiert eine Tafel über die Bauart der Grabanlage. Man
folgt dem Weg, biegt links ab, entlang der Ackerfläche, und
trifft auf eine weitere Wegekreuzung. Hier befindet sich links das
letzte Hügelgrab auf unserer Wanderung. Wir gehen links
zurück zum Parkplatz. Unter dem Ackerboden nach dem Wäldchen
zur Rechten wurden mehrere Urnen geborgen. Sie stammen aus der
Eisenzeit – also etwa 700 v.Chr. -, während der man die
Toten in der Regel verbrannte. Die Bestattungsplätze sind
z.T. große Gräberfelder, mit jeweils nur einem flachen
Hügel über jeder Urne. Durch das Pflügen der
Ackerflächen ist von den Hügeln aber schon lange nichts
mehr erhalten.
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Torsten Lüdecke/Diether
Ziermann
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