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Frauen sind die nicht beachtete
Mehrheit auch in Stade gewesen. Auf ihrer Arbeit, ihrem Dulden
und ihrer Anpassung ruhte das gesellschaftliche System. An
bekannten und unbekannten Stationen in der Stadt sollen Aspekte
ihrer Lebenswirklichkeit sichtbar werden.
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MUTTER
FLINT, MADAME ARMSTER UND ANDERE STADER FRAUENZIMMER
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1.
Am Fischmarkt, beim Holztretkran neben der Stadtwaage, beginnt
unser Stadtrundgang. Gegenüber, am Wasser West, steht eine
der Touristenattraktionen, Mutter Flint mit dem Stint
das einzige in Stade einer Frau, einer Fischhändlerin,
gewidmete Denkmal.
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Margarethe Pape wird 1861 in
Steinkirchen als Tochter eines Fischers geboren. 1883 kommt sie
nach Stade, wo sie sich und ihr uneheliches Kind als Schneiderin
ernährt. Dreimal ist sie verheiratet, zuletzt mit dem
Zimmermann Ludwig Flint, sie bringt sechs
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 Eine
der häufigen Anzeigen im Stader Tageblatt. -
Kinder zur Welt, die die meiste
Zeit im Armenhaus leben Ihr Fischgeschäft begründet das
Ehepaar erst 1906 im Haus Poststraße 16. Margarethe ist vor
allem mit dem Verkauf beschäftigt. In einem Kinderwagen
transportiert sie die Fische, vorwiegend Stinte, aber auch Aale,
die sie abzieht, für den Verkauf auf dem Pferdemarkt, wo sie
bis 1949 ihren Stand hat. 1952, fast 91-jährig, stirbt
Margarethe Flint.
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Auch Margarethes ältere
Schwester Henriette, in zweiter Ehe mit dem Arbeiter Carl Schwenk
verheiratet, verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Verkauf von
Fischen, seit 1920 im Eckhaus Salzstraße 1 . Nach dem Tod
ihres Mannes 1929 führt Mutter Schwenk das
Geschäft alleine weiter. Sie stirbt 1953 im Alter von 94
Jahren.
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2.
Die beiden Schwestern müssen ihr Leben lang arbeiten, um
sich notdürftig ernähren zu können. Eine
Altersversorgung außerhalb der Familie gibt es nicht, oft
bleibt nur ein Lebensende in Armut. Das Johanniskloster ist seit
dem 17. Jahrhundert das zentrale Armenhaus und Altersheim der
Stadt. Hier können in 6 - 10 m² großen Wohnungen
- durch außen liegende Öfen beheizt - bis zu 55 Arme
aufgenommen werden. Als Ausgleich für diese Versorgung fällt
ihr Nachlaß an die Johanniskloster-Stiftung.
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Die Mehrzahl der
Klosterbewohner sind Frauen, meist Witwen, die nur noch zu
kleineren Erwerbsarbeiten in der Lage sind. Sie unterstehen einer
strengen Aufsicht durch den Klostervogt und dessen Frau. Nur bei
guter Führung entsprechend der Klosterordnung können
sie mit einem längeren Aufenthalt rechnen. Die Witwe Rebecka
Sompfleth beispielsweise, die durch den Besuch einer
Tanzveranstaltung gegen diese Ordnung verstößt, wird
daher aus dem Kloster gewiesen.
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 Große
Wäsche im Innenhof des Klosters. -
3.
Die Bewohnerinnen des Klosters sind in der Regel nur wenig zur
Schule gegangen und ohne Berufsausbildung, denn Unterricht für
Mädchen ist vor allem vom Geldbeutel des Vaters und von
dessen Vorstellungen über die Rolle seiner Tochter abhängig.
Die 1854 eingerichtete Volksschule bereitet auf die
Erwerbstätigkeit vor, während die privaten
Töchterschulen und die vom Lehrerseminar unterhaltene
Mädchenschule der allgemeinen Persönlichkeitsbildung
dienen. Als Folge einer Revolution gegen die
konservative Seminarschule wird 1863 eine städtische
Mädchenschule im ehemaligen Druckereigebäude bei der
Cosmaekirche gegründet. Ebenso wie das Gebäude stockt
man auch die Erziehungsangebote der Schule allmählich auf,
die 1908 mit dem preußischen Lehrplan Höhere
Lehranstalt wird. Hier soll das Weib eine dem Mann
ebenbürtige Bildung erhalten, allerdings
ausschließlich im Interesse der dienenden Rolle der
verheirateten Frau gegenüber ihrem gebildeten Mann.
Entsprechend werden die Inhalte der Mädchenerziehung an der
Töchterschule bzw. später Lyzeum von den männlichen
Studienräten bestimmt. Die ersten wissenschaftlichen
Lehrerinnen kommen erst nach 1919 an die Schule.
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Zwei Erziehungsziele stehen
seit etwa 1876 nebeneinander, die eigenständige, bewußte,
gefühlsbetonte Persönlichkeit und die Frau als fleißige
Hausfrau, liebende Mutter und zunehmend als Erzieherin der
Nation. Mädchenbildung ist allerdings für die
Familien der Schülerinnen sehr teuer, so daß viele von
ihnen schon früh die Schule verlassen müssen. Bis 1929
bleibt das Lyzeum in dem Gebäude bei der Cosmaekirche, ehe
es das ehemalige Jungen-Gymnasium an der Bahnhofstraße
übernehmen kann. Nun wird die Schule als Oberlyzeum
anerkannt, und die ersten Mädchen legen hier 1930 ihr Abitur
ab.
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4.
Die Ausbildung der Mädchen ist der bürgerlichen
Oberschicht zwar Geld wert, aber Frauen sind von der
Stadtverwaltung vollständig ausgeschlossen. Das Rathaus als
Zentrum der bürgerlichen Herrschaft ist bis 1919
ausschließlich von Männern bestimmt. Das Bürgerrecht
dürfen nur Männer ausüben; Frauen, die Grundbesitz
erwerben, müssen zwar Steuern und Abgaben entrichten,
Wahlrechte z.B. aber können sie nur durch Männer -
Brüder, Söhne - wahrnehmen. Nur langsam werden Frauen
in beratender Funktion zu sozialen Aufgaben in der
Wohlfahrtspflege hinzugezogen.
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In der Weimarer Republik werden
im Februar 1919 auch fünf Frauen in den ersten
demokratischen Rat gewählt, ein Anteil von gut 16%. Oft
gehören sie dem Rat nur kurze Zeit an, weil ihre Männer
aus beruflichen Gründen Stade verlassen. Eine entscheidende
Rolle spielen sie nicht. Weder gehören sie der
Verwaltungsspitze an, noch wird eine Frau aus den
Stadtverordneten zur Senatorin und damit zum politischen
Magistratsmitglied gewählt. Ihre Aufgaben bleiben auf den
sozialen Bereich beschränkt, bei dem, wie es Bürgermeister
Frommhold 1919 ausdrückt, das warmherzige und
mitfühlende Empfinden gefordert sei. Insgesamt werden
1919-33 11 Frauen zu Stadtverordneten bzw. Bürgervorstehern
gewählt. Typisch für ihre meist nur kurze Wirksamkeit
ist eine der ersten Ratsfrauen, Mathilde Pelz (SPD). Sie folgt
ihrem Mann, Gustav Pelz, Berichterstatter für das
sozialdemokratische Volksblatt für die Unterelbe,
Anfang 1914 nach Stade und wird im Februar 1919 als Ehefrau
zur Bürgervorsteherin gewählt. Sie ist besonders in der
Lebensmittelkommission tätig und leitet am 27. Juni 1919
eine große Protestversammlung gegen die unzureichende
Versorgung. Bereits im Oktober 1920 aber zieht die junge Familie
wegen Gustav Pelz' Beruf nach Harburg.
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5.
Zentraler Treffpunkt der bürgerlichen Gesellschaft des 19.
Jahrhunderts ist das Armster'sche Gasthaus, das Eckhaus an der
Kleinen bzw. Großen Schmiedestraße. 1794 wird die
Weinschenke von Johann Georg Armster erworben, 1825 erweitert und
in Staat London, später auch Londoner
Schenke umbenannt. Die Ehefrau Sophie unterrichtet mit
großem Erfolg Mädchen in der Haushaltsführung und
veröffentlicht als Extrakt daraus und Summe ihres
beruflichen Lebens 1828 ein umfangreiches Kochbuch, das das
gesamte 19. Jahrhundert hindurch immer wieder neue Auflagen
erlebt.
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 Das
Armster'sche Kochbuch in der 6. Auflage von 1846.
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1832 stirbt sie im Alter von 72
Jahren, 1841 auch ihr Mann, so daß der Sohn Friedrich
Adolph das Haus übernimmt. Nach seinem frühen Tod 1843
führt seine Witwe, Madame Armster, das Haus
weiter, in dem eine Vielzahl von Bällen, politischen
Versammlungen und Konzerten stattfinden. Im April 1869 muß
Helene Armster Konkurs anmelden, 1870 wird das Haus von Hermann
Birnbaum völlig neu erbaut. Zur Versorgung der mittellosen
Witwe , die 1879 stirbt, wird eine Stiftung ins Leben gerufen.
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6.
Nur wenige Häuser weiter wird 1662 eine der
berühmtesten Frauen Europas, Maria Aurora von Königsmarck,
geboren, Enkelin des reichsten Mannes Europas, des schwedischen
Generalgouverneurs Hans Christoph von Königsmarck. Sie
erhält die Erziehung der dünnen aristokratischen Elite,
wächst in Stade, Hamburg und Stockholm auf. Umfassend
gebildet, gilt sie darüber hinaus als schönste Frau
Europas. Bekannt ist sie auch durch ihre Liebhaber, die
Kurfürsten Georg Ludwig von Hannover und August den Starken
von Sachsen. Von August dem Starken bringt sie 1696 einen Sohn,
Moritz von Sachsen, zur Welt. Vier Jahre später wird sie als
Pröpstin noch Quedlinburg abgeschoben, wo sie bis zu ihrem
Tod 1728 ihre alten sozialen und kulturellen Kontakte
aufrechtzuerhalten sucht und ihren Erben einen Schuldenberg
hinterläßt. Gefangen in den Wertvorstellungen der Zeit
scheitert sie an ihrem Versuch, ein selbstbestimmtes Leben zu
führen.
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7.
Wohnen in der Großen Schmiedestraße die
vermögenden und einflußreichen Bürger und
Beamten, so kommt man abwärts zur Wilhadikirche in die
beengten Wohngegenden der ärmeren Volksschichten, der
Handwerker, Tagelöhner, Wäscherinnen. Hier will das
aufgeklärte Bürgertum eingreifen. 1840 ruft der
Seminarinspektor Pfannkuche zur Gründung einer Kleinkinder
Bewahranstalt oder Warteschule auf, in der
Kinder von 2 - 6 Jahren betreut werden, deren Eltern bzw.
alleinerziehenden Väter und Mütter durch Heimarbeit und
Tagelohn ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Der
Magistrat stellt ein kleines Mietlokal am Wall zur
Verfügung; auf dem Hofplatz stehen einige Geräte für
Leibesübungen. 1841 nimmt die von einem Verein getragene
Kinderbewahrungsanstalt ihren Betrieb auf, muß
aber schon bald umziehen. Zunächst 37, bald 50 Kinder werden
aufgenommen, im Sommer bis zu 12, im Winter bis zu 10 Stunden.
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Die Räume am Bischofshof
werden bald erweitert, so daß 75 Kinder betreut werden
können, zunächst von den Damen des Vereins.
Seit 1878 ist dies Aufgabe der Diakonissen des Henrietten-Stifts
in Hannover, die in der Bewahranstalt ihre Diakonissen Station
einrichten und 1888 auch mit weiteren Schwestern Verwaltung und
Pflege im städtischen Krankenhaus übernehmen. 1906
werden Warteschule und Diakonissen-Station in das von der Stadt
neu eingerichtete Alters- und Siechenheim am Pferdemarkt, das
Peter-Harms-Stift, im ehemaligen Gymnasiumsgebäude des 18 ,
Jahrhunderts, verlegt. 1922 wird die Warteschule aus
Kostengründen gegen die Proteste der Frauen eingestellt.
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 Harms-Stift
und Warteschule kurz nach 1906. -
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8.
Unterhalb des Pferdemarktes befindet sich seitdem 14. Jahrhundert
das Beginenhaus. Beginen leben ohne Regel und Gelübde in
freiwilliger Gemeinschaft, in Armen- und Krankenpflege tätige
kinderlose Witwen oder unverheiratete Töchter, wegen ihrer
Tracht die blauen Schwestern genannt. Nach der
Reformation wird aus dem Beginenhaus ein Armenhaus, in dem im 17.
Jahrhundert 12- 14 Frauen leben. Während der Dänischen
Belagerung brennt das Gebäude ab,.das Vermögen der
Beginen war bereits nach der Auflösung des Konvents in eine
Stiftung unter Aufsicht des Rates umgewandelt worden. Auf dem
Beginenplatz wird 1840/41 das neue Hauptgefängnis
errichtet.
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9.
Um den Pferdemarkt liegen im 19. und frühen 20. Jahrhundert
große Gasthäuser mit Ausspannen, hier finden die
Wochen- und Jahrmärkte statt. Die Dienstmägde der
Herrschaften kaufen ein, die Ammen fahren Kinder aus, Putzfrauen
und Waschfrauen gehen zu ihren Arbeitsstätten.
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 Marktgeschehen.
Erwerbsarbeit von Frauen ist
vielfältig, auch wenn es bestenfalls Anlernberufe sind, immer
eng mit Dienstleistung, Kleidung und Haushalt verbunden, die von
keiner Zunft oder Gewerkschaft geschützt werden. Eine
Berufsschule für Mädchen entsteht erst in der Weimarer
Republik. Die Stellenvermittlerin, die Mäklerin,
bringt Dienstmädchen und Ammen in Arbeit, aber auch zur
Ausbildung im Putzmachen und Weißnähen.
Die
schwere Arbeit in den herrschaftlichen und bürgerlichen
Haushalten übernehmen die Waschfrauen und Kochfrauen. Die
weibliche Erwerbstätigkeit ist weiter verbreitet als bekannt
und zugegeben, gerade unter verheirateten Frauen von Arbeitern und
Handwerkern. Nur so konnten ihre Familien überleben.
Stellenangebote
im Stader Tageblatt. |